Mittwoch, 22. Juli 2015

Uni ist wie Schule. Nur anonymer.

In der Uni geht es darum, gute Noten zu schreiben, stumpf auswendig zu lernen und wissenschaftliche Texte zu zitieren. Ich fühle mich in meine Schulzeit zurückversetzt. Lest, was mich am Studium stört.


Ich erinnere mich gerne an meine Abi-Entlassungsfeier. Reden wurden gehalten - von Lehrer_innen, die uns aufforderten, unseren Weg zu gehen und selbstständig zu werden. Anschließend wurden vor der Tür mit den besten Freund_innen Fotos gemacht. Abends wurde gefeiert - mit Tanz, wenig Essen und viel Alkohol. Die hirnlose Lernerei hatte ein Ende. Kurz gesagt: Wir fühlten uns wie die König_innen der Welt. Die Welt lag uns zu Füßen.

Nach dem Abi machte ich ein Freiwilliges Soziales Jahr. Ein Jahr mit vielen neuen Perspektiven auf das Leben. Dennoch habe ich mich gefreut, endlich wieder etwas lernen zu dürfen, aus Büchern und von Wissenschaftler_innen. Eigenverantwortlich und über einen Themenbereich, der mich interessiert. Deshalb habe ich mich an der Uni eingeschrieben. Dank meiner guten Abinote wurde ich glücklicherweise zugelassen. Mit vollem Elan ging ich ans Werk. Erst jetzt im vierten Semester beginne ich, mein Studium zu reflektieren. Mir fallen zum Ende meines Bachelor-Studiums immer mehr Punkte auf, die mir innerlich widerstreben, die ich nicht länger für mich behalten kann und möchte. Was macht diese Punkte aus und was lässt sich aus ihnen schließen?

Zunächst sei gesagt, dass es in meinem Studiengang nur darum geht, gute Noten zu ergattern. Dadurch werden Dinge hintenangestellt, die meines Erachtens unverzichtbar sind. Seminare werden nicht nach Themensetzung gewählt, sondern nach Dozent_innen. Priorisiert werden immer diejenigen, die bessere Noten geben. Das führt sogar so weit, dass in WhatsApp-Gruppen nachgefragt wird, welche Dozent_innen denn notentechnisch wählbar sind. Über Themen wird niemals ein Wort verloren. Das Schlimme ist, dass es für Studierende notwendig ist, das Studium so anzugehen. Machen sie es nicht, ist es so gut wie unmöglich, einen Masterplatz am Institut zu bekommen.

Zum anderen geht es meinem Studiengang nur darum,stumpf irgendwelche Vorlesungsfolien auswendig zu lernen. Eigener Transfer wird nicht verlangt. Ich gehe sogar so weit, dass er nicht erwünscht ist. Es werden keine Anreize gesetzt, selbst etwas zu erforschen. Klausuren und Hausarbeiten bestehen ausschließlich aus dem Rezitieren existenter Wissenschaft, weil die Dozent_innen entweder nicht die Kapazitäten haben, sich intensiv mit neuen Themen zu beschäftigen, oder weil sie - auf gut Deutsch - keinen Bock drauf haben. Versucht man in einer Hausarbeit etwas Neues zu erforschen, bekommt man schlechte Noten, weil die Hausarbeit eventuell an der einen oder anderen Stelle nicht gänzlich konsonant ist. Wissenschaftliches Arbeiten findet de facto nicht statt.

Das Studium ist bis ins Äußerste verschult. Ich fühle mich in meine Schulzeit zurückversetzt. Es gibt nur einen Unterschied: Anonymität. In der Schule hatte ich einen Namen, jetzt bin ich eine Nummer.

Schaffung obrigkeitshöriger Egoist_innen

Ich gehe davon aus, dass meine Erfahrung auch auf andere - vor allem sozialwissenschaftliche - Studiengänge zutrifft. Das ist höchst bedenklich. Durch die Verschulung des Studiums werden Studierende nicht zu selbstbewussten Menschen, die inhaltlich gut vorbereitet und selbstbewusst auf den Arbeitsmarkt kommen. Vielmehr werden obrigkeitshörige und egoistische Menschen geschaffen, die jedem und jeder am Arsch kleben, die gut für sie sein könnten. Alle machen nur noch, was für die eigene Karriere von Nutzen ist. Gesellschaftliches Engagement wird zum Fremdwort. Der Staat erlaubt sich an seinen Universitäten die Ausbildung egoistischer Pseudo-Wissenschaftler_innen, die mit guten Abschlüssen aus der Uni kommen, aber für das Arbeitsleben nicht bereit sind.

Ich kann nur hoffen, dass sich das im Master zum Positiven ändert. Bis dahin lerne ich wie zu meiner Schulzeit weiterhin Daten auswendig und wähle meine Seminare nach Noten. Sonst bleibt ein Masterplatz ein ferner Traum.

Bildquelle: 
"Fritz Schumann": www.jugendfotos.de