Dienstag, 12. März 2013

Gute frühkindliche Bildung ermöglichen – Hessisches Kinderförderungsgesetz ablehnen!

Ihr findet hier meinen Antrag für die Bezirkskonferenz 2013 der Jusos Hessen-Süd zum sogenannten Kinderförderungsgesetz von CDU/FDP. In dieser Form bringe ich ihn in den Vorstand der Jusos Main-Taunus ein. Sollte er so beschlossen werden, bitte ich euch um Zustimmung auf der Beko.

 
Die Delegierten der Bezirkskonferenz der Jusos Hessen-Süd mögen beschließen:
Die Jusos Hessen-Süd lehnen den von der Hessischen Landesregierung vorgelegten Entwurf des sogenannten Hessischen Kinderförderungsgesetzes ab. Das Kinderförderungsgesetz wird weder den Zielen guter, pädagogisch sinnvoller Arbeit in den Kinderbetreuungseinrichtungen, noch angemessenen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten gerecht. Vielmehr wird es dazu beitragen, die Qualität der Arbeit der Kinderbetreuungseinrichtungen zu verschlechtern. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben sich in ihrer Vergangenheit immer für gute – auch frühkindliche - Bildung eingesetzt, weil sie verstanden haben, dass diese Grundlage für ein erfülltes Leben ist.
Aus diesem Grunde fordern die Jusos Hessen-Süd die SPD-Fraktion im Hessischen Landtag dazu auf, sich im Landtag weiter gegen das sogenannte Kinderförderungsgesetz und für seine Rücknahme einzusetzen. Sollte die SPD nach der Landtagswahl am 22. September 2013 in Hessen in Regierungsverantwortung sein, möge sie das sogenannte Kinderförderungsgesetz aufheben und übergangsweise wieder die derzeit gültige Mindestverordnung in Kraft setzen, bis ein neues Gesetz in enger Kooperation mit den Trägern der Betreuungseinrichtungen entstanden ist und nach seiner Verabschiedung im Hessischen Landtag in Kraft tritt.
 
Begründung:
Das sogenannte Kinderförderungsgesetz von CDU/FDP sieht – anders als der Status Quo der Mindestverordnung, der eine gruppenbezogene Förderung beschreibt - eine Fallpauschale pro tatsächlich aufgenommen Kind vor. Dieser Umstand führt dazu, dass die Gruppen bis zum maximal möglichen Punkt gefüllt werden, weil den Einrichtungen erst dann ein Mindestmaß an finanziellen Mitteln für die Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Dabei kann und wird es in vielen Einrichtungen zu Gruppen mit bis zu 25 Kindern kommen; zwar gibt es solche Gruppengrößen auch schon heute, da die derzeit gültige Mindestverordnung eine Bandbreite von 15-25 Kindern vorsieht, allerdings wird die Zahl der Gruppen mit 25 Kindern aufgrund des Kinderförderungsgesetzes stark steigen. Dies ist aus Qualitätsgesichtspunkten keinesfalls zu vertreten.
Die Pauschale pro tatsächlich aufgenommenem Kind wird ebenfalls dazu führen, dass es mehr Teilzeitarbeit und mehr befristete Arbeitsverhältnisse im Kita-Bereich geben wird, denn es gibt keine verlässliche, dauerhafte Förderung mehr. Dies wird sich negativ auf die Qualität in den Kindertagesstätten auswirken.
Ebenfalls sehr kritisch zu sehen, sind die Gruppengrößen im U3-Bereich: Das KiföG lässt hier Gruppen mit bis zu 16 Kindern zu. Eine solche Anzahl wird in keinster Weise den Anforderungen an frühkindliche Bildung gerecht. Richtwert sollten Gruppengrößen mit höchstens zehn Kindern sein!
Die Tatsache, dass Gruppengrößen nach wirklich anwesenden Kindern berechnet werden, führt aber nicht nur zu großen Gruppen, sondern auch dazu, dass das sogenannte „Platzsharing“, also die Aufteilung eines Kita-Platzes auf mehrere Kinder, möglich wird. Es kann deshalb dazu kommen, dass eine Arbeitskraft für mehr als 25 Kinder zuständig ist; ein Umstand, der für uns Jusos nicht tragbar ist.
Gleichzeitig führt die Pauschale pro tatsächlich aufgenommenem Kind im ländlichen Raum zu großen finanziellen Schwierigkeiten für die Träger der Kindertageseinrichtungen, da die Kinderanzahl, um eine Gruppe komplett zu füllen, überhaupt nicht erreicht werden kann. Kleine Einrichtungen werden deshalb in ihrer Existenz bedroht!
Des Weiteren besteht die Möglichkeit, bis zu 20 Prozent der Personalstellen mit Nicht-Fachkräften zu besetzen. Hierdurch wird pädagogische Arbeit entprofessionalisiert und gleichzeitig wird auch die angestrebte Aufwertung des ErzieherInnen-Berufs absolut verfehlt. Die Möglichkeit, Nicht-Fachkräfte als „wirkliche“ Fachkräfte anrechnen zu können, lehnen wir Jusos deshalb ab; auch weil man durch diese Anrechnung den gestiegenen Anforderungen an frühkindliche Bildung nicht mehr gerecht werden kann.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die fehlende Regelung zur Integration von Kindern mit Förderbedarf, die beim personellen Bedarf und der Gruppengröße nicht berücksichtigt wird. Zwar soll es einen finanziellen Zuschlag geben, doch deckt dieser die Erfordernisse bei weitem nicht ab. Erforderlich wäre ein Fachfaktor, wie er auch für Kinder unter drei Jahren vorgesehen ist, sodass Gruppen, die über ein Kind oder ggf. sogar mehrere Kinder mit Förderbedarf verfügen, kleiner werden. Integration von Kindern mit Förderbedarf in Gruppen mit 25 Kindern ist schlicht unmöglich!
Außerdem enthält das KiföG keine Vorgaben zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Für uns Jusos ist aber die Inklusion von Menschen mit Behinderung in Regel-Einrichtungen ein zentraler Punkt unserer Sozial- und Bildungspolitik. Deshalb kann es mit uns ein solches Gesetz ohne Vorgaben zur Umsetzung der UN-BRK nicht geben.
Im Übrigen macht das KiföG auch keine Angaben zu einem anderen Fachkraftschlüssel für die Inklusion anderweitig Benachteiligter wie Kinder mit Migrationshintergrund und/oder aus schwierigen Familienverhältnissen, was aus der Sicht der Jusos aber unabdingbar wäre.
Das KiföG schafft Anreize die Öffnungszeiten gering zu halten. Dadurch werden die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert und vor allem Frauen vom Arbeitsmarkt ferngehalten. Dies widerspricht jungsozialistischer Politik.
Ein weiteres Problem des Kinderförderungsgesetzes ist, dass der Aufwand für Leitungsfunktionen und für pädagogische Vor- und Nachbereitung überhaupt nicht berücksichtigt wird. Auch hierdurch werden die Qualität in den Einrichtungen reduziert und die Arbeitsverhältnisse der ErzieherInnen geschwächt.
Auch sind zu geringe Ausfallzeiten für Krankheit und Fortbildung der ErzieherInnen vorgesehen.
Sehr kritisch zu sehen ist auch die neue Stichtagregelung, durch welche die Einrichtungen keine Möglichkeiten mehr haben, Plätze für nachrückende Kinder freizuhalten, da die Pauschale nur für anwesende Kinder gezahlt wird. Die Einrichtungen haben dadurch keine Planungssicherheit mehr.
Abschließend kommen wir Jusos zu dem Fazit, dass im KiföG vor allem betriebswirtschaftliche Vorgaben im Vordergrund stehen. Die Pauschalen sind willkürlich gesetzt und spiegeln wider, was die Landesregierung bereit war, an finanziellen Mitteln zur Verfügung zu stellen.
Das KiföG orientiert sich nicht an den Erfordernissen frühkindlicher Bildung und setzt keine Qualitätsmaßstäbe; vielmehr mindert es an entscheidenden Stellen die Qualität. Die Bedürfnisse der Kinder und ihrer Eltern, aber auch die der Beschäftigten werden außer Acht gelassen.
Der Name des Gesetzes suggeriert zwar einen Fortschritt in der frühkindlichen Bildung in Hessen; in Wirklichkeit aber bedeutet es einen klaren Rückschritt im Vergleich zum Status Quo. Deshalb lehnen die Jusos Hessen-Süd das Gesetz grundlegend ab und fordern von der SPD-Landtagsfraktion die Ausarbeitung eines neuen Gesetzes in enger Kooperation mit den Trägern der Betreuungseinrichtungen!

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